„PADDLE OUT!“ Diesen Zuruf des Surflehrers löst bei mir direkt Unbehagen aus. Es folgt eine große, nicht surfbare Welle, die wir ablandig durchqueren müssen. Von Land sieht alles noch entspannt aus, aber im Wasser stellt sich schnell ein Gefühl des Respekts, and der Grenze zur Furcht ein, wenn die weiße, tosende Wand auf einen zugedonnert kommt.
Sri Lanka gilt als Surfer-Paradies. Der indische Ozean treibt normalerweise eher kleinere, gutmütige Wellen auf die Strände und Riffs. So entschied ich mich knapp zwei Wochen der Magie des Wellenreitens hinzugeben. Im Süden des Landes gibt es viele unabhängige Surfschulen, Verleihe, als auch All-Inclusive-Surfcamps. In letzterer startete in der untersten Anfängergruppe.
Ich erhielt ein 8 foot soft-shell board (siehe Bild), welches etwa doppelt so groß ist wie die Profi-Surfbretter, welche man aus den Medien kennt. Nach einer kurzen Erklärung am Strand, wie man im Liegen paddelt und zum Surfen auf’s Brett springt (genannt „Pop-Up“), ging es zum Beach-Break der Weligama Bay.
Der lange, sichelförmige Strand eignet sich für Anfänger perfekt: Es gibt keine oder kaum Strömung, der Untergrund besteht überall aus Sand und die Wellen nie wirklich hoch. Als unschön erlebte ich, dass man es im Wasser ab und auf Plastikmüll stößt und das Salzwasser hier nicht das sauberste ist. Mir wurden zwei Fälle von Ohr-Infektionen bekannt.
So starteten meine ersten Surf-Erfahrungen wie folgt: Mein Surflehrer positionierte mein Brett Richtung Strand und beobachtete die Wellen. Sobald er der Meinung war, die nächste könnte man versuchen zu surfen, kommt das Kommando „start paddeling“, und sobald die Welle von hinten angerollt kommt, „faster!“. Im Finalen Moment schubste er mein Brett von hinten kräftig an, um sicherzugehen, dass ich genug Geschwindigkeit hatte.
Sobald klar war, dass mich die Welle mitgenommen hatte, kam der Befehlt „stand up!“. Wie am Stand geübt, stieß ich mich parallel mit beiden Händen mittig vom Brett ab, setze den hinteren Fuß über die Finnen und den vorderen mittig zwischen meine Hände.
Das Gefühl, auf ein Mal in eine Welle zu stehen, ist fantastisch. Man gleitet völlig mühelos durchs Wasser, denn die gesamte Fortbewegungskraft kommt von hinten. Obwohl das ganze Manöver nur wenige Sekunden dauert, speichert das Gehirn diesen Glücksmoment ab. Damit ist mehr als genug Motivation vorhanden, sich die nächsten 5 Minuten wieder auf dem Brett liegend durch das Weißwasser zu kämpfen.
In der Hochsaison ist es in Weligama recht voll – und es herrscht Anarchie. (Siehe Titelbild) Die Surflehrer kennen und lehren keine Surfer-Etikette. Somit teilen sich eine Welle einfach so viele Surfer, wie gerade Lust hatten, gleichzeitig zu starten. Zwei mal geriet ich in eine Kollision, glücklicherweise ohne Verletzungen.
Da die Surfbretter in der Unterkunft gelagert werden, diese sich aber nicht direkt am Strand befand, stand uns ein exklusiver Tuk Tuk Service zur Verfügung. Die weit über zwei Meter langen Bretter werden einfach mit Zurrgurten auf die Stoffbespannten Dächer geschnallt.
Nach einer kurzen Surfpause (Ich besichtigte die Stadt „Galle“) kam ich zurück, wechselte aber in ein anderes Surfcamp in Mirissa.
Aufgrund der beschriebenen Situation in Weligma Bay war ich froh, nun in eine Fortgeschrittenengruppe wechseln zu können, welche überwiegend an anderen Surfspots unterwegs sind.
Der Haus-Spot in Mirissa ist nichts für Anfänger. Zunächst gestaltet sich der Einstieg als schwierig: über kleinere Felsbröcke, welche den Strand fast vollständig bedecken, muss man im Richtigen Moment schnell in’s Wasser, um nicht von der Brandung erwischt zu werden. Der Spot ist ein sogenannter Reef-Break. Die Welle entsteht somit nicht, weil der Sandboden langsam in Richtung Ufer ansteigt. Stattdessen trifft der Swell auf ein Korallenriff, wodurch die Welle immer an der gleichen Stelle bricht – zumindest in der Theorie wird es damit vorhersehbarer. Die Vorteile, welche sich über der Wasseroberfläche abspielen, erkauft man sich allerdings mit Nachteilen unter der Wasseroberfläche: Ein Sturz mit viel Eindringtiefe führt schnell zum Kontakt mit dem scharfkantigen Riff, wodurch schnell diverse Schürf- und Schnittwunden entstehen können. Somit versucht man beim Abgang vom Brett immer möglichst flach zu Fallen, um dann möglichst horizontal zum Brett zu schwimmen, die Füße immer schön weg vom Boden.
Schafft man es jedoch, dem Riff fernzubleiben, wird man mit tollen, grünen Wellen belohnt. Das Gefühl, eine Welle hinabzugleiten, welche noch nicht gebrochen (also „grün“) ist, lässt sich schwer in Worte fassen. Pures Glück lässt einen jede Millisekunde genießen. Das Video zeigt mich bei einer meiner ersten grünen Wellen.
Ein älterer weißer Mannes mit sehr langen, grauen Dreadlocks beobachte uns beim Surfen. Als wir wieder aus dem Wasser stiegen, kommentiere er das Geschehen so prägnant, dass ich es gerne als Schlusszitat für meinen Artikel nutze:
„The best surfer isn’t the one who caught the most waves or did the most impressive tricks – the best surfer is whoever had the most fun“